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FOTOGRAFIE UNBEWUSSTER ORTE

.Fotografisch gesprochen gibt es keinen Kompromiß mit der Realität. Die Objekte sind scharf, mit ihrer ganzen Oberflächenstruktur und ohne Vezerrung wiedergegeben ( mein dokumentarisches Training !) aber die Hauptsache ist nicht irgendein Objekt, sonder vielmehr die Bedeutung dieser Objekte und ihre Beziehung zu anderen Objekten oder in ihrer Isolation (was auf das gleiche hinausläuft, denn das stärkste Gefühl, das ein isoliertes Objekt vermittelt, ist das Gefühl seiner Beziehunglosigkeit)".

Aaron Siskind

 

 

 

 

 

 

 

  Der Photograph Eugene Atges hatte sich Anfang des 19. Jahrhunderts zum Thema gemacht das „alte" Paris um die Jahrhundertwende zu dokumentieren. Seine Aufnahmen zeigen die durch umfassende Renovierungsarbeiten vom Verschwinden bedrohte Altstadt von Paris, ihre Strassen und Gebäude. Die durchaus sichtbaren Zeichen einer sich unaufhaltsamen nähernden Moderne wie Automobile oder die sich ändernde Mode der Menschen bildet Atges in seinen zumeist menschenleeren Aufnahmen nicht ab. Durchaus schon die ersten sichtbaren Phänomene der frühkapitalistischen Gesellschaft wie Werbung und Schaufenstergestaltung in die Fotografien intergriert, war „sein Interesse für die Spuren des Lebens augenfällig. Er liebte den Kunstfließ der vergangenen Generationen, und seine Häuser stehen im Bild wie Kulissen eines Theaters: Schon im nächsten Moment kann jemand die Bühne betreten".

Ebenso dokumetierte Krzysztof Zielinski seine Heimatstadt in Zeiten des fortschreitenden Umbruchs nach der Jahrhundertwende ein Jahrhundertt später im Jahre 2000. Sein Projekt „Hometown" welches er über drei Jahre durchführte, zeigt Häuserwände, Einkaufsläden, verlassene Schlupfwinkel seiner polnischen Geburtsstadt Wabrzezno. In dieser kleinen Stadt nähe Torun wuchs der Photograph auf, verlies seine Heimatstadt für einige Zeit und kehrte dann wieder zurück. Die unspektakulären Ansichten seines Geburtsortes begann er im Jahre 2000 zum Millenium und führte sie über zwei Jahre weiter. Zwischen den zumeist leeren Strassenecken und Kreuzungen könnte man vermuten, Zielinski hätte hier auch die Atmosphäre einer Kleinstadt vor ihren wirtschaftlichen Veränderungen festhalten wollen, wobei es sich bei Wabrzezno im nördlichen Polen sicherlich um einen schleichenden Prozess handelt, und die Frage nach Aufschwung oder Zerfall unbeanwortet bleibt.

Die Photographien präsentieren sich so unspezifisch für den Charakter dieser Stadt so dass man meinen könnte das Bild der Stadt könnte für viele kleine Städte in Polen sprechen. Andererseits hält der Künstler hier eben diese unbewussten durch den Passanten nicht sofort wahrnehmbaren meist architektonischen Objekte einer Stadt fest, die eben durch ihren unspezifischen Charakter für viele etwas persönlich spezifisches haben können. Nicht ohne Grund betont der Künstler, erkennen einige Betrachter die sich seine Photographien anschauen ihre eigene Heimatstadt in seinen Bildern wieder. Meistens werden diese Winkel auf den ersten Blick nicht beachtet.

Wir laufen an ihnen vorbei, wollen möglichst schnell an ihnen vorbei um von einem Ort zu anderem zu kommen. Selten halten wir uns an Orten auf in denen sich für uns nichts darbietet was wir in ihnen erleben können. Zielinski lenkt seine Aufmerksamkeit jedoch genau dahin, wo wir sie schon verlassen haben. Eben genau auf diesen Winkel einer Stadt zwischen unserer Station von einem Ziel zum nächsten. Dem unbewussten Ort, den wir in unserem alltäglichen Leben nicht bewusst wahrnehmen. Gleichzeitig ist es jedoch für Zielinski etwas persönliches, die Bilder und Plätze die mit seiner Kindheit und Vergangenheit zusammenhängen.

Begonnen hat der Künstler dieses Projekt für Private Zwecke, zunächst sollte es nur ein Geschenk für seine Familie werden die Stadt mit der er und sie sich verbunden fühlen am Tag des New Millennium, dem man wie schon ein Jahrhundert zuvor so viel beigemessen hat sollte lediglich für seine Familie dokumentiert werden. Als Zielinski jedoch die Bilder entwickelte, stellte er etwas Erschreckendes fest. Seine Geburtsstadt präsentierte sich dem Photographen ganz anders als er sie ohne das Kameraauge und in seinen Erinnerungen wahrnahm. Sie war unspektakulär, schmutzig und entsprach nicht den Vorstellungen und Bildern die er sich all die Zeit in seinem Bewusstsein hatte. Hier vollzog der Künstler einen umgekehrten Akt der Fotographie, er lichtete etwas ab was er erst nach der Fertigstellung entdeckte. Hingegen ist es doch die Arbeit eines Photographen das was er entdeckt abzulichten.. Zielinski nahm die Stadt erst nach dem Prozess der Entwicklung der Bilder bewusst wahr und setzte das Projekt über zwei Jahre fort. Die späteren Photographien aus dem Jahre 2002 wirken klarer und heller, die Häuserecken sind nicht mehr in vernebeltes Licht getaucht. Wahrscheinlich ein Entwicklungsprozess seiner Wahrnehmung, die die sich dann im Laufe des Projekts veränderte. Die Ästhetik die in den Bildserien Zielinskis steckt, und die Gründe dafür warum wir seine Photographien mehr in ihrer Gesamtheit betrachten als im Einzelbild , lässt sich einleuchtend mit den Worten Klaus Honnefs zusammenfassen die er in den 70- ger Jahren formulierte „ …ausschlaggebend ist, dass sich in den fotografischen Ergebnissen symptomatische Bruchstücke oder Zusammenhänge der Wirklichkeit spiegeln. Häufig gibt der Photograph der Bildreihe oder Bildserie den Vorzug, weil er erfahren hat, dass sich die Wirklichkeit nicht mehr in ein einziges Bild bannen lässt."

 

Text : Berenika Partum